Die erste Bibelübersetzung in eine germanische Sprache erschien bereits im 4. Jahrhundert, etwa um das Jahr 350-380. Somit gab es eine germanische Bibel noch bevor die lateinische Vulgata von Hieronymus im Jahr 382 herauskam. Die Arbeiten wurden von Bischof Wulfila (lat. Ulfilas, *311; †383; Wikipedia) im heutigen Bulgarien durchgeführt. Wulfila ist 336 vom Reichsbischof von Konstantinopel, Eusebios von Nikomedia, zum „Bischof der Christen im gotischen Land“ geweiht worden.
Die Goten (Gotonen) kamen ursprünglich aus Skandinavien. Zur Zeit Jesu siedelten sie im Weichselraum. Ab Ende des 2. Jahrhunderts zogen Teile des Volkes Richtung Südeuropa und kamen in Konflikt mit dem Römerreich. Die Ostgoten wurden um 375 von den Hunnen unterworfen. Nach deren Niedergang wurden sie zunächst römische Verbündete, eroberten aber 488 unter Theoderich (Flavius Theodericus Rex; *451/56; †526) Italien, formal im Auftrag Ostroms. Nach Theoderichs Tod zerfiel das Ostgotenreich um 550 unter dem Ansturm der oströmischen Truppen Kaiser Justinians (vgl. Wikipedia).
Die Goten waren der erste germanische Stamm, der zum Christentum bekehrt wurde. Zwar konnten viele Griechisch und Latein sprechen, dennoch sollte das das ganze Volk das Wort Gottes verstehen können, weshalb die Übersetzung des NT durchgeführt werden sollte. Gotisch war eine ost-germanische Sprache. Da sie bis dahin nur mündlich weiter gegeben wurde, erfand Wulfila eine neue gotische Schriftart, die aus einer Kombination aus griechischen und lateinischen Buchstaben bestand und einige Sonder-Zeichen hatte. Da Wulfila, als ehemals freigelassener Sklave des römischen Imperiums fließend Griechisch beherrschte, konnte er als Übersetzungs-Grundlage die neutestamentlichen Manuskripte verwenden. Die Arbeiten führte er mit einigen Kollegen durch. Dank der Wulfilabibel 350-380 wurde Gotisch die älteste überlieferte germanische Schriftsprache und ist daher sehr bedeutend für die germanische Sprachgeschichte. Nach dem Ende der gotischen Reiche um 700 n. Chr. und im 18. Jh. (Krimgoten) ging diese Sprache allerdings komplett verloren. Nur einzelne Wörter blieben bestehen. Die Ähnlichkeiten zu Deutsch und Englisch sind gegeben und in Teilen gut verständlich.
Die Wulfilabibel liegt heute nicht komplett vor, es fehlen diverse Kapitel, darunter auch die letzten Abschnitte der Evangelien Mt 28, Lk 24 und Joh 20 und die Apostelgeschichte, die leider verschollen sind. Von der Wulfilabibel sind mehrere Handschriften aus dem 6. bis 8. Jahrhundert mit einem großen Teil des Neuen Testaments und kleinen Teilen des Alten Testaments erhalten geblieben, die hauptsächlich aus Italien stammen.
Eine bekannte Teil-Abschrift der Wulfilabibel ist der Codex Argenteus (Silber-Codex, Silber-Bibel; Wikipedia), der ab 500-510 n. Chr. in Italien erstellt wurde. Er wurde auf dünnen kostbaren purpurfarbenem Pergament von sehr hoher Qualität und mit Silber- und Goldschrift geschrieben. Für das Anfertigen des Wortes Gottes wurden folglich die kostbarsten Materialien verwendet, die es überhaupt gab. Diese Bibel gehörte zwar zum Schatz des Ostgotenkönigs Theoderich, dennoch wurden Christen im eigenen Volk verfolgt. Der Codex war später im Besitz Rudolfs II. von Habsburg (*1552; †1612; Wikipedia), dem Kaiser des Heiligen Römisches Reiches Deutscher Nation, der ihn in der Prager Burg verwahrte. Nach der Plünderung Prags gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges durch die schwedischen Truppen wurde der Codex als Kriegsbeute nach Schweden, dann in die Niederlande und dann wieder nach Schweden gebracht, wo er sich noch bis heute befindet (Universitätsbibliothek Carolina Rediviva zu Uppsala). Im Jahr 2011 wurde der Codex Argentus auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Viele Christen sollten sich dessen wirklich bewusst sein, welch eine Kostbarkeit eine eigene Bibel ist, die sich früher nur in den Händen von Königen befand. Viel Blut ist vergossen worden in Kriegen, bei denen Bibeln zum wichtigen Beuteschatz gehörten.
Faksimiles und Online-Bibel:
500-510 Codex Argenteus, vollständiger Scan des Originals in Uppsala
500-510 Codex Argenteus, Faksimiles (Alvin-portal.org)
500-510 Codex Argenteus, digitale Rekonstruktion (gotica.de)
500-510 Codex Argenteus, Online-Text (wulfila.be)
500-510 Codex Argenteus, Online-Text, TITUS-Project, The Gothic New Testament (Uni Frankfurt)
500-510 Codex Argenteus, Online-Text (sacred-texts.com)
Weitere Online-Texte bei Streitberg 1919 (siehe unten). Allgemeine Info bei plattdeutsch-niederdeutsch.net
HENSHALL. Titel: "The Gothic Gospel of Saint Matthew, from the Codex Argenteus of the Fourth Century: With the Corresponding English, Or Saxon, from the Durham Book of the Eighth Century, in Roman Characters, a Literal English Lesson of Each, and Notes, Illustrations, and Etymological Disquisitions on Organic Principles."
1807 Gothic Gospel of Saint Matthew, London, Samuel Henshall (Archive)
1807 Gothic Gospel, Mt. London, Samuel Henshall (Google Books), Google Books-2, Google Books-3, Google B-4
GABELENTZ, Titel: "Ulfilas: Veteris et Novi Testamenti versionis gothicae fragmenta quae supersunt ad fidem codd. castigata, latinitate donata, adnotatione critica instructa, cum glossario et grammatica linguae gothicae coniunctis curis, Hans Conon von der Gabelentz":
1836 Ulfilas, Band 1, Hrsg.: von der Gabelentz (Google Books), Google Books-2
1843 Ulfilas, Band 1, Hrsg.: von der Gabelentz, Leipzig: Brockhaus (Google Books), Google Books-2
1843 Ulfilas, Band 2, Glossarrium der gotischen Sprache, Leipzig: Brockhaus (Google Books), GB-2, GB-3, GB-4
1846 Ulfilas, Band 2, Glossarrium der gotischen Sprache, Leipzig, Brockhaus (Google Books)
HAHN, Titel: "Auswahl aus Ulfilas gothischer Bibelübersetzung: mit einem Wörterbuch und mit einem Grundriss zur gothischen Buchstaben- und Flexionslehre", Heidelberg: Mohr. Autor / Hrsg.: Karl August Hahn:
1849 Ulfilas, Heidelberg: Mohr (BSB, Signatur: L.germ. 95 np), Link2-Europaea, Digitale Bibliothek
MASSMANN, Titel: "Ulfilas. Die Heiligen Schriften alten und neuen Bundes in gothischer Sprache: Mit gegenüber-stehendem griechischem und lateinischem Texte, Anmerkungen, Wörterbuch, Sprachlehre, und geschichtlicher Einleitung von H. F. Massmann":
1857 Ulfilas, Massmann, Stuttgart: S. G. Liesching (Archive)
1857 Ulfilas, Massmann, Stuttgart: S. G. Liesching (Google Books)
STAMM, Titel: "Ulfila oder die uns erhaltenen Denkmäler der gothischen Sprache: Text, Grammatik und Wörterbuch". Autoren: Friedrich Ludwig Stamm, Moritz Heyne, and Ferdinand Wrede:
1858 Wulfila, Friedrich Stamm, Text, Grammatik, Wörterbuch (Archive.org), Buch 2
1858 Wulfila, Friedrich Stamm, Text, Grammatik, Wörterbuch (Google-Books), Google Books-2, Google Books-3
1865 Ulfilas, Stamm, Paderborn : F. Schöningh (British Library, Digital Store T 6434), Google Books
1896 Ulfilas, Stamm, Germanic Lexicon Project (Lexicon-cz)
BOSWORTH, Titel: "Gotischer Text im Vergleich mit Anglo-Saxon, Wycliffe und Tyndale, bearbeitet von Joseph Bosworth und George Waring, gedruckt 1865 durch Russell Smith. Titel: "The Gothic and Anglo-Saxon Gospels in Parallel Columns with the Versions of Wycliffe and Tyndale":
1865 Gothic Gospels, London: Smith (Google Books), Google Books-2
1874 Gothic Gospels, London: Smith (Google Books), Google Books-2, Google Books-3, Google Books-4
SCHULZE, Titel: "Gothisches Woerterbuch: nebst Flexionslehre von Ernst Schulze":
1867 Gothisches Woerterbuch, Schulze, Züllichau, Verlag: Carl Troemer (Google Books)
BERNHARDT, Titel: "Vulfila oder die gotische Bibel : mit dem entsprechenden griechischen Text und mit Kritischem und erklärendem Commentar nebst dem Kalender, der Skeireins und den gothischen Urkunden / hrsg. von Ernst Bernhardt" und Titel: "Die gotische Bibel des Vulfila: nebst der Skeireins, dem Kalender und den Urkunden":
1875 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle: Buchhandlung des Waisenhauses (Gallica)
1875 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle: Buchhandlung des Waisenhauses (Archive), Buch 2, Buch 3
1875 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle: Buchhandlung des Waisenhauses (HathiTrust), Band 2
1875 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle: Buchhandlung des Waisenhauses (Google books), Google Books-2, GB-3
1884 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle (HathiTrust), Buch 2, Buch 3
1884 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle (Archive), Buch 2, Buch 3
1884 Vulfila, Ernst Bernhardt, Halle: Buchhandlung des Waisenhauses (Google books), GB-2, GB-3, GB-4, GB-5
BRAUNE, Titel: "Gotische Grammatik, mit einigen Lesestücken und Wortverzeichnis":
1887 Gotische Grammatik, Braune (Archive)
1895 Gotische Grammatik, Braune (Archive), Buch 2
1900 Gotische Grammatik, Braune (Archive)
BALG, Titel: "The first Germanic Bible, tr. from the Greek by the Gothic Bishop Wulfila ... and the other remains of the Gothic language. Ed., with an introduction, a syntax, and a glossary, by G.H. Balg." und Titel des Grammatik-Teiles: "Gothic grammar, with selections for reading and a glossary, by Wilhelm Braune. Translated from the second German Edition by G. H. Balg", und Titel: " A comparative glossary of the Gothic language with especial reference to English and German. With a preface by Francis A. March":
1887-1889 Comparative Glossary, Mayville (Archive)
1887-1889 Comparative Glossary, Online-Text (Germanic Lexicon Project)
1891 Wulfila, G.H. Balg, Milwaukee (HathiTrust), Buch-2
1891 Wulfila, G.H. Balg, Milwaukee (Archive.org), Buch-2
1895 Wulfila, G.H. Balg, Milwaukee (Archive.org)
1883 Gothic Grammar by Wilhelm Braune; Translated by G.H. Balg (HathiTrust), Buch-2, Buch-3, Buch-4
1895 Gothic Grammar by Wilhelm Braune; Translated by G.H. Balg (HathiTrust)
PRIESE, Titel: "Deutsch-gotisches Wörterbuch : nebst einem Anhang enthaltend eine sachlich geordnete Uebersicht des gotischen Wortschatzes und eine Sammlung von Redensarten und Sprüchen von Dr. Oscar Priese":
1890 Deutsch-gotisches Wörterbuch, Priese, Leipzig: Voigtländer (Archive)
UHLENBECK, Titel: "Kurzgefasstes etymologisches Wörterbuch der gotischen Sprache von Dr. Christianus Cornelius Uhlenbeck":
1900 Etymologisches Wörterbuch, Uhlenbeck, Amsterdam: Johannes Müller (Archive)
STREITBERG, Titel: "Die gotische Bibel. Herausgegeben von Wilhelm Streitberg. Zum Gedenken an Wilhelm Braune". Herausgeber: Carl Winter, und Titel: "Gotisches Elementarbuch"
1908 Wulfila, Streitberg, Band 1-2, Heidelberg (Archive)
1908 Wulfila, Streitberg, Heidelberg (Archive), Google Books, Google Books-2
1908 Wulfila, Streitberg, Heidelberg (HathiTrust), Buch 2, Buch 3, Buch 4, Buch 5
1910 Wulfila, Streitberg, Heidelberg (HathiTrust), Buch 2
1910 Gotisches Elementarbuch. Streitberg (HathisTrust), Buch 2
1910 Gotisch-Griechisch-Deutsches Wörterbuch, Online-Text (wulfila.be)
1919 Wulfila, Die gotische Bibel, Streitberg, 2. verbesserte Auflage, Heidelberg (Archive), Google Books
1919 Wulfila, Die gotische Bibel, Streitberg, Online-Text (wulfila.be), Wörterbuch und PDF
1919 Wulfila, Die gotische Bibel, Streitberg, Online-Text (Wikisource)
1920 Gotisches Elementarbuch. Streitberg (HathisTrust), Buch 2
1920 Gotisches Elementarbuch. Streitberg, Online-Text (wulfila.be)
WRIGHT, Titel: "Grammar of the Gothic Language, and the Gospel of St. Mark: Selections from the Other Gospels, and the Second Epistle to Timothy, with Notes and Glossary":
1910 Gothic Language, Joseph Wright (Google Books)
1910 Gothic Language, Joseph Wright (Google Books)
RISCH, Titel: "Die gotische Bibel." Sonderabdruck aus: "Theologische Studien und Kritiken." Info-Text von Adolf Risch.
1910 Die gotische Bibel, Risch (HathiTrust)
MAYR, Titel: "Die gotische Bibel ... herausgegeben von Erich Mayr." Gotischer Text und Wörterbuch. Münchener Texte.
1913 Die gotische Bibel, Matthäus-Evangelium, München: Callwey (HathiTrust)
1913 Die gotische Bibel, Matthäus-Evangelium, München: Callwey (Archive.org)
1913 Die gotische Bibel, Matthäus-Evangelium, München: Callwey (Google Books)
KÖBLER, Titel: "Gotisches Wörterbuch." Herausgeber: Gerhard Köbler:
1989 Gotsches Wörterbuch, Köbler, Leiden, Verlag: Brill (Google Books)
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